Gendefekt WFFS

24-08-17 Birgit Dohmen 0 Kommentare

WFFS- der (gen-) programmierte Tod

 

WFFS bezeichnet die Kurzform einer erstmals 2012 präzise dokumentierten und als, Warmblut- Fragiles- Fohlen- Syndrom benannten Erkrankung der neugeborenen Fohlen, welche bei allen Warmblutpferderassen und deren Kreuzungsprodukten auftreten kann.

Verantwortlich für dieses Syndrom ist eine, ebenfalls im Jahr 2012 erstmalig nachgewiesene Mutation auf dem Gen lysil hydroxylase .Hydroxylysine sind verantwortlich für die Zugfestigkeit und Stabilität von Kollagenfasern, de facto also auch für die Belastungsfähigkeit der Haut.

Betroffene Fohlen zeigen eine extreme Hautbrüchigkeit, resultierend aus einer deutlich verminderten Hautdicke, es entstehen Wunden schon allein aus dem normalen Kontakt mit der Umwelt, besonders deutlich wird dies an den Gelenken, selbige sind oft überdehnbar. Aufgrund der fehlerhaften Kollagenverbindung besteht eine extrem schlechte Regenerationsfähigkeit der Haut, es entstehen vielmehr häufig ständig neue Verletzungen, die zudem das permanente Risiko einer Infektion beinhalten. Bei dem im März 012 durch Frau Dr. Chloe Monthoux der Vetsuisse Faculty Clinic of Reproductive Medicine an der Universität Zürich dokumentierten Fall handelte es sich um ein neugeborenes Stutfohlen der Rasse Westfälisches Warmblut. Das Fohlen wurde in besagter Klinik per Kaiserschnitt entbunden, da es sich in einer Fehllage befand, während der Trächtigkeit hatte es keinerlei Komplikationen gegeben. Es wurde zwar lebend geboren, hatte allerdings weitreichende Hautverletzungen und- anomalien, die jedoch nicht durch den Geburtsvorgang zu erklären waren, zudem wurde eine offene Bauchdecke mit bereits ausgetretenen Gedärmen diagnostiziert. Das Fohlen wurde zwangsläufig euthanasiert.

Zum damaligen Zeitpunkt stand ein Gentest auf WFFS noch nicht zur Verfügung, alternativ wurde die Mutterstute auf HERDA, eine ähnlich wie WFFS einhergehende und die Hautbeschaffenheit betreffende genetisch disponierte Erkrankung die bei Westernpferden auftritt, getestet. Das Ergebnis zeigte dass die Stute homozygot negativ für HERDA war. Im Frühjahr 2013, als der WFFS-Test kommerziell verfügbar war, wurde die Stute darauf getestet und erhielt den Befund heterozygot positiv für das WFFS-Allel. Als Schlussfolgerung wurde auch präpariertes Muskelfasermaterial des euthanasierten Fohlens auf WFFS getestet. Die Ergebnisse zeigten einen homozygoten positiven WFFS (A / A) Genotyp für das Fohlen. Die nahen Verwandten des Fohlens, alle gesund, wurden ebenfalls auf den WFFS-Genotyp getestet und zeigten entweder einen Trägergenotyp (A / G, zwei getestete Halbschwestern des Fohlens, die von demselben Hengst gezeugt wurden) oder einen homozygoten Wildtyp-Genotyp (G / G, zwei Mütter der heterozygoten Halbschwestern und die Vollschwester der Mutter des homozygoten positiven und symptomatischen Fohlens).Quelle: BMC Veterinary Research

Wenngleich der Name für WFFS und der Test darauf vergleichsweise neu sind, ist es die Erbkrankheit wohl keineswegs. Monthoux fand im Rahmen ihrer Recherche vier früher publizierte Fälle die eindeutig auf WFFS hinwiesen, ein Beweis hierfür konnte aufgrund des nicht mehr existenten Genmaterials aber nicht mehr erbracht werden.

Die oben angesprochene Erkrankung HERDA weist weitgehend ähnliche Symptome auf wie WFFS nur dass sie zumeist später im Leben der betroffenen Tiere auftreten. HERDA, wie auch WFFS sind Teil des gesamten „Ehlers- Danlos-like-Syndrome“ einer heterogenen Gruppe von Krankheiten, die durch eine Störung der Kollagensynthese bedingt sind, und die sowohl Tiere als auch Menschen betreffen kann. HERDA wurde bereits 1978 eindeutig diagnostiziert und ein Gentest steht bereits seit 2007 zur Verfügung. Die DQHA (Deutsche Quarter Horse Assosiation schreibt dazu auf ihrer Website: „)Nena Winand, Forscherin auf der Cornell Unversität untersuchte ca. 4000 Pferde, bei denen die HERDA Quote bei 18 Prozent lag. Der Defekt breitet sich in den USA sehr rasch auch unter den Halter und Pleasure Horse Züchtern aus. In der Bundesrepublik wurden bisher nur sehr wenige Pferde auf HERDA getestet. Aufgrund des rezessiven Erbgangs ist die Verpaarung eines einfachen HERDA-Trägers mit einem Nichtträger völlig problemlos! Das Fohlen ist immer gesund. Um zu wissen ob es sich um Träger/Nichtträger handelt, ist ein Gen-Test jedoch unerlässlich. Verantwortungsvolle Quarter- und Paint-Züchter sollten ihre Stuten und Hengste testen lassen, um die weitere Verbreitung von HERDA einzudämmen! Wie oben bereits kurz erläutert, ist eine Mutation des Gens LH1 Auslöser für die Ausbildung von WFFS. Das Merkmal ist autosomal- rezessiv, das heißt ein Fohlen kann nur betroffen sein, wenn beide Elterntiere Träger des Gendefektes ist. Elterntiere, die Träger sind zeigen selbst keinerlei Symptome, die auf WFFS hinweisen. Beide Elterntiere geben allerdings eine Kopie des defekten Gens zu 50% an ihre Nachkommen weiter. Bei der Anpaarung von zwei Trägern des Gendefektes hat das daraus resultierende Fohlen also eine Chance von 25% gesund zu sein, ein Risiko von 25% betroffen zu sein und von 50% ein Träger zu sein.

Im November 2012 wurde eine Studie der Firma  LABOKLIN veröffentlicht, die sich mit der Erblichkeit von WFFS beschäftigte. Das Ergebnis zeigt hierbei, dass bei 500 Pferden die Gegenstand der Studie waren 47 Tiere als Träger des mutierten Genes LH1 identifiziert wurden. Das entspricht einer Trägerrate von 9,4 Prozent. Die Probanden wurden dabei zufällig aus allen Warmblutzuchtverbänden ausgewählt. Die Schlussfolgerung aus der Studie lautet: „ In dem Fall, dass wir 10% Träger in einer Pferdepopulation ohne homozygote Tiere annehmen, wird eines von 400 Fohlen (bei zufälligen Anpaarungen)als homozygoter Träger des Gendefektes LH 1 zur Welt kommen und damit als lebensunfähig euthanasiert werden.“

Als Konsequenz der Studie wird empfohlen alle Zuchttiere vor ihrem Einsatz in der Zucht auf den Gendefekt hin zu testen um betroffene Fohlen, und die damit einhergehenden finanziellen Verluste zu vermeiden.

In einer Stellungnahme der Firma LABOKLIN, die im Übrigen die alleinige Zertifizierung innehat europaweit den Gentest auf WFFS durchzuführen, heißt es auf Anfrage weiterhin: „Statistiken von Proben, die im Kundenauftrag bei Laboklin auf WFFS getestet wurden, können wir Ihnen momentan leider aufgrund der geringen Anzahl (<500) noch nicht zur Verfügung stellen. Wir sehen hier jedoch einen deutlichen Trend hin zu Träger- bzw. betroffen Tieren, was daraus resultiert, dass die Proben vermutlich aufgrund eines klinischen Verdachts eingeschickt wurden. Leider können wir aus datenschutzrechtlichen Gründen auch keine Auskunft über vermehrtes Auftreten in bestimmten Populationen/Linien geben.

 

Was bedeutet das Ergebnis der Studie nun für die Praxis?

Hier muss zum einen der tierschutzrechtliche Aspekt betrachtet werden.

Paragraph 11b Abs. 1 TierSchG führt dazu aus:

„(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse erwarten lassen, dass als Folge der Zucht

1.bei der Nachzucht, selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten

Im Klartext bedeutet dies, dass zumindest die Anpaarung von zwei Zuchttieren, die Träger des Gendefektes auf dem Gen LH 1 sind unbedingt zu verhindern ist. Dazu bedarf es allerdings des im Vorfeld angesprochenen Gentests um ein Zuchttier als Träger oder Nicht- Träger besagten Defektes zu identifizieren. Nachhaltig im Sinne einer Erhaltung gesunder Zuchtpopulationen wäre es dagegen sicherlich Trägertiere erst gar nicht in der Zucht einzusetzen. Dieser Konsequenz gegenüber stehen in der Praxis zunächst sicherlich erst einmal Bedenken von Hengsthaltern und Züchtern hinsichtlich potenziell wirtschaftlicher Verluste, falls sie ein Trägertier in ihrem Bestand identifizieren. Für den Hengsthalter bedeutet dies unter Umständen geringere Bedeckungszahlen für den betroffenen Hengst, für den Züchter eine Einschränkung der betroffenen Stute hinsichtlich der Möglichkeiten einer optimalen Anpaarung. In beiden Fällen, setzt man eine konsequente, nachhaltige Entscheidung voraus, würde es die Herausnahme betroffener Tiere aus der Zucht bedeuten. Aus Marketing-Perspektive heraus betrachtet kann allerdings das durch Gentest nachgewiesene Freisein eines Zuchttieres von besagtem Gendefekt durchaus als positives Merkmal hinsichtlich der Vermarktung betrachtet werden.

Ein weiterer Aspekt sich mit dem Risiko von WFFS auseinander zusetzen ist wirtschaftlicher Natur. Hier ist eindeutig der Züchter schwerer betroffen für den Fall dass in seinem Stall ein Fohlen mit WFFS geboren wird. Für ihn bedeutet es den finanziellen Verlust hinsichtlich Erzeugungskosten für das Fohlen  und entgangenen Gewinn betreffend die Vermarktung.

Wie stellt sich die Situation aktuell in Zahlen dar?

Das Jahrbuch der FN 2016 zeigt die nachfolgend aufgelisteten Zahlen betreffend die Anzahl eingetragener Hengste, Stuten und Bedeckungen, respektive registrierter Fohlen für die Warmblutzucht

Warmblut Schweres Warmblut gesamt
Hengste                    2.500 Hengste                                96 Hengste               2.596
Stuten                     50.995 Stuten                             1.1.96 Stuten                52.191
Bedeckungen         29.958 Bedeckungen                     495 Bedeckungen    30.453
Fohlen                    23.775 Fohlen                                431 Fohlen               24.206

Legt man die in der Tabelle dargestellten Zahlen zugrunde, und ruft sich das Ergebnis der Studie zu WFFS in Erinnerung, so wird deutlich dass in der Zuchtpopulation des Warmblutpferdes 2016 in Deutschland potenziell 76 Fohlen davon betroffen gewesen sein könnten als homozygoter Träger des Gendefektes, und damit als lebensunfähig geboren worden zu sein. Diese Zahl mag angesichts der Gesamtzahlen an Bedeckungen und registrierter Fohlen als nicht allzu hoch erscheinen, dennoch muss jedes Fohlen, welches aufgrund dieses Gendefektes mit den beschriebenen Merkmalen geboren wird, und damit zu einem kurzen und qualvollen Leben prädestiniert ist als eines zu viel betrachtet werden, abgesehen vom finanziellen Verlust, der damit für den Züchter verbunden ist.

Darüber hinaus weist die Stellungnahme der Firma LABOKLIN darauf hin dass die bisherigen Ergebnisse der Studie in Zukunft voraussichtlich nach oben hin zu korrigieren sind-

..“ Wir sehen hier jedoch einen deutlichen Trend hin zu Träger- bzw. betroffen Tieren, was daraus resultiert, dass die Proben vermutlich aufgrund eines klinischen Verdachts eingeschickt wurden. .

Hinsichtlich der Erhaltung einer gesunden Zuchtpopulation im Bereich der Warmblutzucht, und damit einhergehend auch der Wettbewerbsfähigkeit am Markt, sollte also allen Verantwortlichen, insbesondere den in der Praxis mit der Pferdezucht Beschäftigten daran gelegen sein eine größtmögliche Transparenz in diesem Bereich zu realisieren. In diesem Zusammenhang sollten sich auch die einzelnen Zuchtverbände dahingehend positionieren, dass sie einen Gentest auf WFFS für Zuchttiere empfehlen, langfristig sollte die Zuchtstrategie beinhalten Trägertiere aus der Zuchtpopulation auszuschließen. Das bestehende Tierschutzgesetz bietet mit dem bereits zitierten § 11b.Abs.1 die Grundlage dafür dass den Zuchtverbänden die Möglichkeit dazu gegeben ist, vielmehr noch haben sie damit die Verpflichtung einen Gentest auf WFFS verbindlich vorzuschreiben, um die Zucht von Nachkommen mit Lethalfaktoren zu vermeiden. Bis solcherart gestaltete Konsequenzen in die Zuchtverbände Eingang gefunden haben sollten Züchter, als in erster Linie Betroffene Vorkehrungen treffen um das Risiko zu minimieren ein mit WFFS betroffenes Fohlen zu züchten:

Zum einen sollte er seine eigenen Stuten auf WFFS testen lassen, aber auch Hengsthalter präferieren, deren Hengste nachweislich frei vom entsprechenden Gendefekt sind! Mittels dieser Vorgehensweise kann seitens der Züchterschaft aktiv Einfluss darauf genommen werden dass Hengsthalter ihre Hengste testen lassen und die Ergebnisse auch offen legen. Somit wäre die Option gegeben dass sich, wie im Vorfeld bereits dargestellt zumindest die Anpaarung zweier Trägertiere vermeiden ließe, im besten Fall jedoch, bei verantwortungsvollem Handeln der mit der Zucht befassten Personen, die betroffenen Tiere aus der Zucht genommen werden!!



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